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Ausstellungen
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Susanna Storch

Fassaden

8.11.- 1.12.2024

Vernissage am Freitag, den 8.11.24, 19.30 Uhr


Die großformatigen Fassaden, eine 2013 begonnene und inzwischen 49 Gemälde umfassende Werkserie, zeigt Motive, die Susanna Storch bei ihren Reisen durch Europa und Mittel- und Südamerika begegneten. Orte so unterschiedlich wie Paris, Mainz, Berlin, Frankfurt, Prag, Tallinn und Venedig über Lissabon, New Orleans -  sowie Valparaiso, Santiago de Chile und Medellín.

Der Begriff Fassade hat seinen Ursprung im lateinischen facies, was Gesicht und zugleich äußere Form, Gestalt und auch Schein bedeutet. Es ist Präsentation und zugleich Repräsentation.

Dennoch wird der Mensch zunehmend nicht-sehend in seinem Alltag, die Mitmenschen denen man täglich begegnet, die städtischen Häuserschluchten, sie alle verschwimmen am Randes des Bewusstseins.

Susanna Storch lenkt den Fokus genau auf dieses Alltägliche, erscheint auch der Begriff auf den ersten Blick fast schon trivial, sollte er es nicht sein, weder im  Denken noch in der Wahrnehmung.

Sie zeigt Details, Motive, wie Puzzleteile aus einem Ganzen genommen, Ausschnitte, eingerahmt gleich einer Guckkastenbühne, als Blick auf das Leben gerichtet und auch auf die Menschen hinter diesen gleichförmigen Fassaden.

Ihre Arbeiten sind eine Ansprache, eine Einladung zum Innehalten, zur Wahrnehmung und Anregung zum Träumen und Denken. Es stellt sich die Frage nach dem hinter der Fassade Befindlichen, was die Malerei von einer reinen Wiedergabe zu einer neuen Bedeutungsebene wandelt. Der sichtbare Mensch wird zum Mittler zwischen Abbild und Sinnbild. Die Dekors bereits der Anreiz zur Vorstellung von Lebenswirklichkeiten. Die Gedankenreise des Betrachters, ein Erfinden oder Erträumen von Geschichten hinter den Momentaufnahmen bleibt jedem selbst überlassen, geprägt vom individuellen Horizont des Rezipienten.

Die strenge, nüchterne Geometrie, ein Bonjour Tristesse, so scheint es auf den ersten Blick. Sie zeigt sich in Weiß, Grau und Blau, in Fliesen oder Beton, zuweilen im Verfall begriffen, der Niedergang des ehemals Stattlichen, in bröckelnden, zerfurchten Fassaden oder fehlenden Lettern.

Dies führt uns im Zeitalter der Social Media und allgegenwärtiger Filter auch etwas anderes vor Augen, ist es doch eine Momentaufnahme, interpretiert in Susanna Storchs figurativem Realismus, einschließlich vergangenem Leuchtreklamenglanzes bis hin zur Lamellenrolloschnur. Untermalt in zumeist monochromer Farbigkeit, trotzig ignoriert durch Dekorationen oder Vorhänge, Zeichen des Lebens als Versatzstücke anonymer Individualität und gleichsam symbolhafte humane Blaupause. Dennoch sind es gerade die zuweilen farbigen Fronten Südamerikas oder auch Venedigs, die den Grundton verändern und beweisen, dass es ein Bunt gibt in allem.

Anders als in ihren sonstigen Arbeiten, wie Portraits, Landschaften, Menschen- und Antikriegsbilder sind nicht immer Personen zu sehen. Wenn doch, sind sie Zufallsbegegnungen, Statisten einer Szene, dennoch immer authentisch, in ihrer Ursprünglichkeit nicht gefiltert oder inszeniert und gänzlich ohne voyeuristische Absicht dargestellt. Susanna Storch zeigt eine Momentaufnahme, ein Augenblick im interessierten Hinschauen auf den Menschen und als solches gemalt, was ihre Arbeiten um so eindrucksvoller macht, vielfältige Individualität und Einheit zugleich in der Konformität des urbanen Betondschungels.

Es ist eine Darstellung des Seins, ohne Wertung, ein Abbilden von Leben in all seinen Facetten. Es ist wie es ist und es bleibt spannend.

So ruhig und gleichmäßig ihr Pinselstrich, so schweift auch der Blick des Betrachters. Die strenge Geometrie der Fassaden wird aufgebrochen durch einen herausgewehten Vorhang, eine Jeans über der Balkonbrüstung oder durch die  dargestellten Menschen, die Teil der Rahmung ihrer Fenster oder Balkone und somit gleichsam Bezugspunkt ihres Zuhauses, d.h. der Welt sind und zugleich bereits darüber hinausweisen.

Spielende Kinder, eine Raucherpause, ein Telefongespräch oder die tägliche Soap am TV, all dies verleiht dem Betrachter Hoffnung, gerade momentan, auf einen Alltag, ein Leben, auf ein glückliches Ende.

Die Spiegelungen der Fensterflächen bringen zusätzlich Bewegung ins Statische, in ihrer Form durchaus zuweilen abstrakt wirkend, das Glas zugleich Einblick und Ausblick zum Gegenüber werdend. Sie brechen die strenge zweiachsige Linienführung auf und bilden einen spannenden visuellen Kontrast.

Hinter der Fassade zeigt sich das Leben, in all seiner Vielfältigkeit. Susanna Storch offeriert einen genauen und realen Blick auf das was ist, doch bereitet sie zugleich einen Rahmen für das, was dahinter liegt und in den Gedanken des Betrachters sein könnte.

Es ist ein Blick auf und zuweilen auch in ein anderes Leben, einfühlsam und inspirierend, denn ein Blick auf die Anderen ist auch immer ein Blick auf sich selbst.

Dieses Spannungsfeld, die Grenze zwischen privatem und öffentlichem Raum, wie sie selbst sagt, machen ihre Arbeiten zu einem Kristallisationspunkt der zeitgenössischen Gesellschaft. Mit dem Bewusstsein der Welt, in der wir uns momentan bewegen, erweitert sich die Bedeutungsebene ihrer Malerei.

Durch die Veränderung der Realität auf fast absurde Weise infolge der Pandemie, die uns allen vor fast zwei Jahren noch unvorstellbar erschien, erfuhren die Gemälde einen eklatanten Wandel in ihrer Aussagekraft, in Relation zur ursprünglichen Intention ihrer Entstehung. Die Serie Fassade ist bereits in der Intention ein Blick vom Äußeren ins Innere, doch erfuhr nun das Private, das Innere einer Wohnung, eine unglaubliche Bedeutungsveränderung. Daher sind sie um so mehr Ausdruck der symptomatischen Lebenswelt und auch des sich Bewusstwerdens eines jeden in seinem klein gewordenen Reich. Obwohl einige dieser Arbeiten bereits lange vor den aktuellen Ereignissen entstanden, spiegelt sich das Jetzt um so mehr in den Fensterflächen.

So wie der Blick auf die Fassaden - als Einblick in Lebenwirklichkeiten - zeitweise auch als ein Blick auf das einzig stattfindende Leben in einer fast gespenstischen, urbanen Umgebung verstanden werden musste. Die Ambivalenz des Motivs wird eigentlich erst in der momentanen Zeit bewusst wahrgenommen.

Seit letztem Jahr verschwamm die Grenze zwischen öffentlichem Leben und privatem Rückzugsort, nachdem ein jeder zu einer Neudefinition von Leben und Lebensraum und auch Aktionsradius gezwungen wurde. Nie war zuhause so essentiell wie momentan, als zentraler Erlebnisort, Schutzraum und Gefängnis, Isolationsgefahr und Sicherheitsbereich zur gleichen Zeit. Zuweilen, je nach Land, sogar alleiniger Fokus, einziger Lebensraum für Wochen oder sogar Monate.

Dreh- und Angelpunkt in einer fast endzeitlich erscheinenden, surrealen Welt.

Die Wohnung als singulär verbliebener Raum der Hüllenlosigkeit, denn niemals zuvor war der Mensch in seinen eigenen Wänden authentischer und unmaskierter - im wahrsten Wortsinn - wie zur Zeit.

Susanna Storchs Fassaden sind eine Metapher für und eine Hommage an das Dasein selbst. Im streng geordneten Reglement des Lebens mit seiner alltäglichen Routine, die uns umgibt wie die vier Wände - eine Fassade teilweise im eigenen und zuweilen auch im figurativen Sinne - eingerichtet zwischen Müssen und Wollen, zwischen Sein und Leben. So sind auch die vielen, verzweigten Stromkabel, vervielfältigt in den Schatten an der Hauswand, die das streng lineare Gefüge optisch durcheinanderbringen, in diesem Sinne auch als Verbindungen und Verflechtungen zu verstehen, die alle - Bewohner und Betrachter - verbinden und das Gefüge auch in gewisser Weise zusammenhalten.

Dieser zuversichtliche, emphatische Blick auf den Menschen und das Leben ist ein essentieller Aspekt ihrer Arbeiten und zugleich erinnert es an den Fuchs, der den kleinen Prinzen lehrte, dass man nur mit dem Herzen gut sieht, das Wesentliche aber für die Augen unsichtbar sei und wer mit dem Herzen sieht, muss alle Sinne dafür bemühen, damit er letztlich zu erkennen vermag, was sich hinter den Fassaden befindet und was die Welt im Innersten zusammenhält.

Evelyn Hoffmann M.A



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Lesung

Tobias Roller

"Der Goldhügel"

Freitag, den 22.11.24, 19.30 Uhr

Eintritt 10 €, Vereinsmitglieder frei

Aus Platzgründen Teilnahme nur nach Voranmeldung

Februar 1962: Erich Kästner ist an Tuberkulose erkrankt und soll sich im Sanatorium auf dem verschneiten Collina d’Oro, dem Goldhügel über dem Luganer See, erholen. Doch eine akute Schreibkrise, Selbstzweifel und so mancher Dämon der Vergangenheit stehen der Genesung im Wege. Ohne den ins Zimmer geschmuggelten Whisky und Unmengen von Zigaretten wäre das alles nicht zu ertragen – bis ein ebenso entzückendes wie cleveres Fräulein zu Kästners Tischgesellschaft stößt.

Während der alternde Schriftsteller den Weg aus der Misere sucht, wird der Goldhügel allmählich zu seinem ganz persönlichen Zauberberg.

Sprachvirtuos und mit feinem Humor taucht Tobias Roller in das Leben Erich Kästners ein: eine famose literarische Hommage – originell und doch ganz im Stil des großen Dichters.


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