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Licht


Hans Benesch
Luxographien

Claus Schneidereit
Lichtobjekte

16.11. bis 16.12.2018
Vernissage 16. November, 19.30 Uhr

Einführung

Paula Seeger
Dipl. Kulturwissenschaftlerin

Musik

Mike Schweizer, Saxophon

Florian Döling, Kontrabass

Foto: Hans Benesch

Lichtkunst ist wiederkehrendes Thema in den Ausstellungen des badischen kunstforums, 2010 mit dem Titel ‚Licht‘ und 2015 ‚Lichtkunst – Kunstlicht‘. Claus Schneidereit und Hans Benesch stellen nun Kunstwerke mit dieser Urmaterie des Farbensehens aus.

Die Zusammensetzung des Lichts aus verschiedenen elektromagnetischen Wellen macht sich Claus Schneidereit zunutze und erfindet Lichtobjekte, die er okulum nennt – übersetzt ‚Auge‘ auf Esperanto. Hans Benesch zeigt mit seinen Luxographien, Fotogrammen und Fotografien drei verschiedenen Techniken, bei denen er mit Licht zeichnet, dreidimensionale Farbräume entstehen lässt und eine Ausstellung auf andere Art fotografisch betrachtet.

LICHTKUNST, da fallen uns Namen wie Dan Flavin ein, der große Installationen aus Leuchtstoffröhren geschaffen hat, James Turrell der Lichträume in farbiges Licht taucht und Bruce Nauman, dessen provokante, wild blinkenden Kunstobjekte aus Neonröhren von der Technik der Neonreklamen abgeleitet sind. In der Fotografie denken wir an Wolfgang Tillmanns der in den Serien ‚blushes‘ und ‚Freischwimmer‘ mit Lichtspuren aus der Dunkelkammer gearbeitet hat. Aber auch Lichtinszenierungen auf Gebäuden und Lichtshows, wie jüngst in Köln, bei denen programmierte Drohnen durch Aufblinken in einer Formation ein Lichtfeuerwerk präsentierten zählen zu den beeindruckenden Möglichkeiten der Lichtkunst.

Aus diesem Ausschnitt an Beispielen lassen sich drei Formen von Lichtkunst ableiten: 

1. Die  Lichtquelle als Kunstwerk - wie zum Beispiel geformte Skulpturen aus Neonröhren

2. Projektionen  auf einen Lichtträger (eine Wand, ein Raum, ein Gebäude) - mit dieser Art der Lichtkunst haben wir es bei Claus Schneidereit zu tun und

3. Abbilder von Lichtprozessen auf ein lichtempfindliches Trägermaterial - dazu zählen die fotografischen Verfahren von Hans Benesch.

Claus Schneidereit begann seine Ausbildung im Bereich Elektronik und Mechanik, und war „schon immer“ an sich-bewegenden-Dingen interessiert. 1992 begann er erste mechanisch-bewegende Kunstwerke zu bauen. Seit 1994 ist er freischaffender Künstler und beschäftigt sich vor allem mit kinetischer - sich bewegender - Kunst. Steht man in Waltershofen auf seinem Kunsthof vor den beweglichen Objekten, die überwiegend aus alten Schrottteilen, Zahnrädern und Fundstücken bestehen und sich auf Knopfdruck bewegen, ist man gleich fasziniert. Vielfältige Formen von Mechanismen und Kettenreaktionen spielen zusammen. Die Technik  der kinetischen Objekte ist mittlerweile so verfeinert, dass sogar von ihm programmierte Microcontroller die Bewegung in zeitgesteuerten Impulsen auslösen können. Die Lichtobjekte, die wir hier sehen, lassen sich als Weiterentwicklung verstehen, zur Mechanik und Elektronik ist das Element Licht hinzu gekommen, bei zwei hier ausgestellten Objekten in Kombination mit Kinetik.

Schneidereit selbst kam auf die Idee für die kinetischen Objekte, als er sich mit alternativen Energien beschäftigte und fasziniert war von der Solarzelle, die entsprechend ihrer Ressource jederzeit Energie liefern kann. Draußen vor dem Eingang steht eine Lichtskulptur aus rostigem Metall mit eingearbeiteten Lichtstäben, die - tagsüber aufgeladen durch Solarzellen - betrieben werden.

Die Lichtobjekte ‚okulum‘ haben alle dieselbe Grundform: eine Kunstglasplatte von 40x40 cm, die an die Wand montiert ist, in der Mitte der Platte eine schwarze kreisrunde Scheibe, hinter der sich 3 LEDs in den Farben rot blau gelb montiert sind. Alltagsgegenstände wie Löffel, Spaghettigabel, Geweih, Pinsel, aber auch speziell angefertigte Formen sind hinter dem Kunstglas angebracht.

In ausgeschalter Form wirkt das okulum wie ein minimalistischer Kunstgegenstand. Sobald die Stromzufuhr eingeschaltet ist, erscheint eine Lichtprojektion auf der Wand, die aus dreifarbigen Schatten besteht. Zu sehen sind Variationen von farbigen Schattenformen, Doppelungen oder Verdreifachungen, Schattenüberschneidungen mit farbigen Schnittmengen und damit Farbmischungen. Auf der Wand entstehen geometrische Kompositionen aus Kreisen und Flächen, bei anderen Objekten entsteht der Eindruck von Scherenschnitten aus farbigem Papier. Manche der Alltagsegenstände sind vom Künstler bearbeitet, besonders gelungen der Pinsel, dessen Borsten aus kleineren Pinseln bestehen, die mit ihren Zwischenräumen und Haarstrukturen eine interessante Schattenwirkung mit sich wiederholenden Leerstellen und Schnittmengen erzeugen.  Zuweilen entsteht durch die verzerrten Objektschatten der Eindruck einer Dreidimensionalität, die sich in einen imaginären Raum in die Tiefe erweitert.

Das Phänomen der farbigen Schatten basiert auf einem einfachen physikalischen Prinzip, wir erinnern uns vielleicht an unseren Physikunterricht: Licht selbst besteht aus elektromagnetischen Wellen, von denen der Mensch nur eine Wellenlänge zwischen 400 nm (violett) und 700 nm (rot) wahrnehmen kann. Die drei LEDs der Lichtobjekte, in den Grundfarben des Lichts rot blau gelb, im Kreis angeordnet, ergeben in der Summe unser alltägliches weißes oder farbloses Licht, das wir nicht als außergewöhnlich wahrnehmen. Werden durch einen Gegenstand ein oder zwei Lichtquellen - und damit diese Farben - ausgeschaltet, erscheint der Schatten entsprechend der aktiven LEDs farbig, im Kernschattenbereich erscheinen die Vollfarben. Ein Hindernis – wie der Pinsel – wirkt also farbfilternd.

Bei meinem Besuch auf dem Kunsthof haben wir uns einige der Lichtobjekte angesehen. Dabei hatten wir das zufällige Glück, dass sich eine Spinnmilbe an der Wand hinter einem okulum niedergelassen hatte. Ihr Schatten war nun in drei geteilt, ein blauer, ein roter und ein gelber. Ob sie ihren farbigen Schatten selbst gesehen hat, wissen wir leider nicht … aber es hat die Schattenwirkung anschaulich verdeutlicht. Hier in der Ausstellung lässt sich die Funktionsweise sehr gut beobachten bei den zwei kinetischen Lichtobjekten mit den rotierenden Metallscheiben.

Damit die Lichtobjekte so funktionieren, war eine lange Tüftelarbeit notwendig, von der technischen Machbarkeit mit Stromwandler und Vorschaltgerät für 220 Volt, Kühlung, Einarbeitung geeigneter Alltagsgegenstände bis zur Berechnung des Wandabstands und der Größe der benötigten Wandfläche.

Der Titel okulum – Auge – verweist auf eine andere Art des Sehens, die uns durch die Projektionen eröffnet wird. okulum ist allerdings nur der Arbeitstitel, den eigentlichen Titel bekommt jedes Objekt erst mit dem Verkauf. Der Titel ergibt sich aus einer Codierung in Bezug zum Ausstellungsort: die Höhenangabe, dem Anfangsbuchstaben der Straße und dem Ortsnamen. Für Ebringen wäre das: 249S Ebringen. Denkt man die Idee weiter, entsteht nach und nach ein gedachtes Verortungsnetz, Sie können mit dem Kauf eines Lichtobjekts Geburtshelfer werden und den Titel eines Objekts festschreiben und damit Einfluss nehmen auf das Werk.

Hans Benesch begann seine Ausbildung zum Kunstpädagogen in Esslingen, war Lehrbeauftragter an einer Freiburger Fachhochschule und parallel seit 1970 als freier Künstler tätig. Er ist in den Bereichen Malerei und Materialcollage, Video und Fotografie tätig. Begonnen hat er tatsächlich mit der Fotografie. Wer seine Kunst kennt, weiß, dass er seit einigen Jahren auch Fotografie und Malerei kombiniert. Mit einem dieser Fotomalereien ist er zur Zeit bei der internationalen Ausstellung in der Galerie Marianska ins Budweis in der Tschechei vertreten.

In dieser Ausstellung hier sehen wir gleich drei Techniken, denen das Thema Licht und die Verwendung von lichtempfindlichen Materialien gemeinsam ist: die Luxographien, Fotogramme und eine Fotoserie mit dem Titel ‚Bilder einer Ausstellung‘.  

Diese Serie besteht aus 27 Fotografien, die im ZKM - Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe entstanden, einem Industriedenkmal, das während des 1. Weltkrieges als Waffen- und Munitionsfabrik diente und heute als Kunsthochschule und für Kunst- und Medienausstellungen genutzt wird. Wenn wir den Titel hören ‚Bilder einer Ausstellung‘, erwarten wir Abbildungen von Kunstwerken, finden aber stattdessen Aufnahmen vor, die genau diese Objekte aussparen, eine Bedeutungsverschiebung. In schwarz-weiß sehen wir Bildausschnitte, ausgewählt durch den subjektiv-forschenden Blick des Fotografen, die sich mit formalen Gestaltungselementen, mit dem Thema Licht, aber auch mit sichtbaren Bodenspuren vergangener Ereignisse beschäftigen.

Zu sehen sind starke Bildkompositionen, die mit Diagonalen arbeiten, mit Reduktion bis zum Abstrakten. Dazu kommt das Wechselspiel von Schärfe und Unschärfe, Spiegelung und Reflexion. Das Auge wandert zwischen identifizierbaren Gegenständen wie einer Säule oder einem Geländer hin zu Bodenmarkierungen, zu Lichtkreisen, die zum Punkt einer abstrakten Komposition werden und gelangt in „Unschärfen“, die malerisch wirken – deutlich wird der fotografische Blick für das Detail, die Komposition, strukturierend, fragmentierend, abstrahierend und dynamisch, die Ästhetik sichtbares Kriterium.

Mit Fotogrammen hat sich in den 1919/20er Jahren der berühmte Künstler Man Ray beschäftigt, indem er im Fotolabor Gegenstände auf lichtempfindliches Fotopapier gelegt hat und das Papier belichtet. An den abgedeckten Stellen, an die kein Licht gelangt, bleibt das lichtempfindliche Papier weiß, bildet eine Leerstelle. Hans Benesch experimentiert mit den Möglichkeiten dieser Technik in Farbe, indem er verschiedene Materialien wie Holzklötze, Papiere oder transparente Folien anordnet. Im Abstand zum Papier und in Kombinationen und Überschneidungen entstehen geometrische Kompositionen, die räumlich wirken oder räumliche Perspektiven, die mitunter Landschaften entstehen lassen. Es handelt sich also nicht um digitale Bildbearbeitungen, sondern um einen manuellen Konstruktionen in der Dunkelkammer. Diese Unikate sind die Momentaufnahme des experimentellen Prozesses. Sechs von diesen Fotogrammen sind übrigens im Besitz der Staatsgalerie Stuttgart.

Als dritte Werkreihe von Hans Benesch sind die Luxographien. Lux - lateinisch LICHT -bezeichnet in der Physik die Beleuchtungsstärke auf einer Fläche. GRAPH ist der Wortstamm von graphis – der Zeichenstift – also ZEICHNEN MIT LICHT. Hans Benesch hat sich einen Lichtstift oder Lichtstab konstruiert, ähnlich einem Bleistift, nur mit einer Spitze aus der Licht strahlt. Auf einem lichtempfindlichen Untergrund wie Fotopapier, lässt sich dann bei Speziallicht zeichnen. Schon in den 70er Jahren entstanden so seine ersten Luxographien.

Die Besonderheit der Linienführung: Während des Zeichenvorgangs sind die Linien nicht unmittelbar sichtbar, der Stift wird mit Abstand zum Papier geführt, dadurch fehlt der Widerstand des Untergrunds. Ein spontanes Zeichnen ist notwendig und zugleich ein schnelles Zeichnen, auch um Strichbreite und Klarheit zu steuern. Linie und Schwung sind impulsiv und expressiv. Hans Benesch sagt zum Zeichnen mit dem Lichtstab, dass es die „expressivste Art sich auszudrücken“ ist. Bei den Bildinhalten schöpft der Künstler in der Formensprache aus seinem zeichnerischen Fundus an Motiven, hier zum Thema Weiblichkeit.

Was beide Künstler verbindet ist die Arbeit mit Licht und die Lust am Experimentieren, am Erforschen von Material oder Techniken. Es geht um Kompositionen, um Formfindung und Sichtbarmachen eines Lichtphänomens. Beide haben Verfahren entwickelt und Kunstwerke geschaffen, die dem Betrachter neue Seherfahrungen eröffnen. Bei Hans Benesch ist es der expressive Duktus und die ästhetische Form, die das Werk prägen. Bei Claus Schneidereit ist es das Knowhow des Tüftlers und Erfinders, der aus Fundstücken vielgestaltige Objektformen und Lichträume schafft.

Paula Seeger

Dipl. Kulturwissenschaftlerin

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